Für den Ahnenforscher in Österreich sind meist die vergangenen 400 Jahre besonders relevant. Häufig sind die Informationen in älteren Quellen weniger aussagekräftig, weshalb man mehr auf zusätzliche Informationen angewiesen ist. Mann kann sich aber intensiv mit der Lokalgeschichte oder den allgemeinen Bedingungen jener Zeit beschäftigen, um ein besseres Bild der Lebensverhältnisse seiner Vorfahren zu erhalten.
Die Entwicklung Österreichs innerhalb des Habsburgerreichs im Zeitraum vom frühen 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert war von vielen kriegerischen Konflikten geprägt, die oft weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft und die politische Entwicklung des Landes sowie das Leben der Bevölkerung hatten.

Zunächst war Österreich ein wichtiger Bestandteil des Heiligen Römischen Reichs und hatte bedeutenden Einfluss auf dessen politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Allerdings war Österreich für länger Zeit noch nicht das unangefochtene Machtzentrum des Habsburgerreichs, das verschiedene komplexe Konflikte zu meistern hatte.
Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) kämpften die Habsburger gegen verschiedene protestantische Mächte. Auch der Raum des heutigen Österreich wurde von zahlreichen Truppenbewegungen, Plünderungen und Übergriffen heimgesucht. Besonders betroffen waren dabei die Grenzregionen zu Bayern und Böhmen sowie die Gebiete entlang des Donauflusses.

Die sogenannte Zweite Türkenbelagerung im Jahr 1683 hatte eine enorme Bedeutung für die österreichische Geschichte. Das Ende der Belagerung Wiens und militärische Siege gegen die Osmanen ermöglichten die langfristige Stabilisierung der Grenzen in Mitteleuropa und eine Ausdehnung des Habsburgerreichs nach Osten und Südosten.
Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714) konnte Österreich seine Machtstellung in Europa weiter festigen und sich als führende Macht in Mitteleuropa etablieren. Allerdings führte der Konflikt mit Preußen in den Schlesischen Kriegen (1740-1745) wieder zu einer Schwächung der politischen Stellung Österreichs in Europa und zur Stärkung Preußens als aufstrebende Macht.

Die folgenden Reformen unter Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Joseph II. hatten erhebliche Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung Österreichs und legten den Grundstein für die weitere Modernisierung des Landes.
Auch die Französische Revolution und der durch sie mögliche Aufstieg Napoleons haben Österreich nachhaltig beeinflusst. Im Zuge der Napoleonischen Kriege (1803-1815), die auch das Territorium des heutigen Österreichs wiederholt betrafen, endete das Heilige Römische Reich und das Habsburgerreich wurde vorübergehend stark geschwächt. Nach Napoleons Sturz konnte Österreich am Wiener Kongress (1814/15) jedoch seinen Einfluss in Europa wieder ausbauen.

Es folgte die Zeit des Vormärz, die durch politische Unterdrückung, Zensur und Überwachung der Bevölkerung gekennzeichnet war. Das Kaiserhaus überlebte die dramatische Revolution von 1848 schließlich relativ unbeschadet. In dieser hatten von der Industrialisierung benachteiligte Arbeiter und liberal gesinnte Demokraten versucht, den Kaiser zu stürzen.
Die Habsburger waren weiterhin in zahlreiche Kriege und Konflikte verwickelt, etwa den Krimkrieg (1853-1856) und den Deutsch-Dänischen Krieg (1864). Vor allem der Preußisch-Österreichische Krieg (1866) ging für die Habsburger schlecht aus, da Preußen zur führenden deutschen Nation wurde und ein eigenes Reich gründete.

Unter dem Einfluss dieser demütigenden Niederlage und dem sich immer deutlicher abzeichnenden Nationalitätenkonflikt im multi-ethnischen Habsburgerreich wurde im Folgejahr die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gegründet, um das politische Überleben der Habsburger zu garantieren.
Unter Franz Joseph, der zum am längsten regierenden Monarchen Europas wurde, entwickelte sich Wien trotz des konservativen Regierungsstils zu einer Weltmetropole mit maßgeblichen Bauleistungen wie der weltberühmten Ringstraße und umfassenden Flusskanalisierungen. Um das Jahr 1900 entstand außerdem, getragen durch das erstarkende Bürgertum die kulturell und künstlerisch bedeutende Epoche des „Fin de Siècle“.

Als der habsburgische Thronfolger Franz Ferdinand ermordet wurde, erklärte Franz Joseph Serbien den Krieg. Aufgrund der europäischen Bündnisse kam es zum Ersten Weltkrieg (1914-1918), der zu einem enormen Verlust an Menschenleben und Ressourcen. Es kam zu gravierenden wirtschaftlichen Problemen und Versorgungsengpässen, was die politischen Konflikte verschärfte.
Es kam zum Zusammenbruch der Monarchie und zur Gründung der Republik Österreich. Auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (Zwischenkriegszeit, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit) wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Innerhalb der Familien hat sich häufig noch relativ viel Wissen über diese Phase erhalten und für die Genealogen gibt es bei der Recherche diverse Sperrfristen zu beachten, die dem Datenschutz und Persönlichkeitsrechten dienen sollen.

Grundsätzlich kann man also sagen, dass die Zeit vom frühen 17. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert für Ahnenforscher in Österreich besonders relevant ist. Aus dieser Zeit ist eine Vielzahl meist noch zu erschließender Informationen über Tausende verschiedene Vorfahren und ihre jeweiligen Lebensumstände zu recherchieren, wobei die Forschungslage individuell wirklich sehr unterschiedlich sein kann.
Wenn man die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte aber besser versteht, kann man genauer einordnen, wie das Leben der eigenen Vorfahren von den jeweiligen Umständen beeinflusst wurde und welche Herausforderungen sie im Laufe ihres Lebens meistern mussten. Die professionelle Erfassung und Auswertung der genealogischen Quellen bietet hier mitunter einen tiefen Einblick in die Geschichte Ihrer Familie.